
Als wesentliche Faktoren sah er die Beweglichkeit und Dynamik aller Körperteile sowie ein funktionierendes Nervensystem auf der Basis einer intakten Ver- und Entsorgung des Gewebes durch Blut- und Lymphflüssigkeit.
Den Weg für die Eigenheilung des Körpers ebnete er durch reine Handarbeit. Indem er durch Tasten und Fühlen Bewegungseinschränkungen aufspürte und durch gezielte Behandlungen dieser eine bessere innere Beweglichkeit wieder herstellte, wollte er dem Körper eine Basis für die Selbstheilung bieten. Seine klare Herangehensweise:
„Find it, fix it, leave it.“
(dt.: „Finde es, repariere es, lasse es in Ruhe“)
Der Öffentlichkeit präsentierte Still diese neue Behandlungsmethode erstmals 1874 als sogenannte Osteopathie. Diese neue Form der Medizin fand in den USA recht schnell großen Zuspruch und rechtliche Anerkennung. Infolge dessen wurden sehr bald osteopathische Universitäten gegründet, die das Studium der Osteopathie als volle akademische Ausbildung mit staatlichem Abschluss anboten. Osteopathen führen in den USA den Titel D. O., Doctor of Osteopathy, und sind den klassischen Medizinern gleichgestellt. Medikamentenverschreibungen oder Operationen gehören in Amerika zum Arbeitsalltag eines Osteopathen.
In Europa ging die Entwicklung und medizinische Anerkennung der Still’schen Medizin etwas langsamer von Statten. Von Stills Schüler Dr. John Martin Littlejohn nach Übersee gebracht, etwickelte sich die Osteopathie in Europa auf rein manueller Form weiter.
1939 stellte Dr. William Garner Sutherland (ebenfalls ein Schüler Stills) das Phänomen der primären Respirationsbewegung vor. Hierbei handelt es sich um eine sehr feine, eigenständige pulsierende Bewegung, die am Schädel, Steißbein und auch anderen Körperstrukturen erspürt werden kann. Die Respirationsbewegung erfolgt unabhängig von Herzschlag oder Atmung und stellt seither ein wesentliches Instrument zur Diagnose und Therapie im kraniellen Bereich dar.
1980 ergänzten die Franzosen Jean-Pierre Barral und Jacques Weischenk die Lehren der Osteopathie um den Bereich der inneren Organe, dem viszeralen Bereich.